¯Aufkl„rung ist der Ausgang des Menschen
aus seiner selbstverschuldeten Unmndigkeit.®
/Immanuel Kant/

¯TCPA® und ¯Palladium®

Ein weiterer Schritt in die Unmndigkeit
oder ein Schritt hin zur Emanzipation? Õ

Von der ™ffentlichkeit weitgehend unbemerkt geistern seit einigen Wochen geheimnisvolle neue Schlagworte und Krzel durch die Welt der EDV-Profis: ¯TCPA® und ¯Palladium®. Interessiert habe ich mich damit n„her besch„ftigt, denn allein die Tatsache, daá die Bezeichnung ¯Palladium® in unserem Fall anders als in den Naturwissenschaften nicht ein wertvolles Metall meint, sondern eine Wortsch”pfung der Firma ¯Microsoft® darstellt, verheiát nichts Gutes und weckte daher meinen Argwohn. Der wesentlich neutralere Begriff ¯TCPA® (das steht fr ¯Trusted Computing Platform Alliance®) dagegen scheint auf den ersten Blick positive oder zumindest neutrale Emotionen zu wecken - aber auch nur auf den ersten Blick, denn wenn man sich des Horrorszenarios bewuát wird, das hinter ¯TCPA® in Kombination mit ¯Palladium® steckt, so drfte wohl selbst der unbedarfteste EDV-Anwender schlaflose N„chte bekommen.

Was hat es also mit diesen Begriffen auf sich, welche Intentionen liegen diesen Schlagworten zugrunde und was bedeuten die dahintersteckenden neuen Techniken fr den EDV-Anwender?

Die ¯TCPA® ist ein Zusammenschluá fhrender Hardwarehersteller, darunter IBM, HP, AMD und Intel, die sich vorgenommen haben, den Personal Computer durch Implementation neuer Hardwaretechnologien sicherer zu machen. Wie uns allen bewuát ist, hat die Monokultur im Betriebssystemsektor dazu gefhrt, daá durch das uns„gliche Monopol von ¯Microsoft® in Kombination mit der grottenschlechten Software dieser Firma allerorten und allenthalben eine wahre Flut von Computerviren, sogenannten trojanischen Pferden, Wrmern und Sicherheitsl”chern entstanden ist und t„glich neu auf den Anwender zurollt, die den Umgang mit dem PC immer wieder zum Žrgernis werden l„át. Diesem šbel wollen die an der ¯TCPA® beteiligten Konzerne nun durch den sogenannten ¯Fritz®-Chip (benannt nach dem US-Senator Fritz Hollings) abhelfen - ein hehrer Wunsch. Bei dem Fritz-Chip handelt es sich um einen Krypto-Baustein, der in zuknftige Generationen von Personal Computern integriert werden und allgemein die Systeme sicherer machen soll. Dieser Chip speichert mehrere Schlssel, die hardware- und anwenderspezifisch definiert sind. Sobald der PC eingeschaltet wird, nimmt der Fritz-Chip seine Arbeit auf und fragt einen Schlssel nach dem anderen ab: Zun„chst wird das BIOS abgefragt, anschlieáend alle im Rechner vorhandenen BIOS-Erweiterungen der Steckkarten. Danach wird die Festplatte berprft, und anschlieáend prft der TCPA-Chip auch noch den Bootsektor, den Bootloader, den Kernel und die Ger„tetreiber. Da bei jedem dieser Schritte eine Prfsumme abgespeichert und ein 160 Bit langer eindeutiger Wert aus den gewonnenen Daten und einem speziellen Schlssel generiert wird, hat der Fritz-Chip jederzeit die v”llige Kontrolle ber das Gesamtsystem.

Damit taucht schon die erste Problematik fr den Anwender auf: Bereits ein Flash-Update des Rechner-BIOS legt das gesamte System lahm, da dann die generierten Werte des Fritz-Chip nicht mehr mit den gespeicherten Werten, die zertifiziert sind, bereinstimmen. In Zeiten, in denen aufgrund der oftmals schlampig implementierten BIOS-Versionen Flash-Updates derselben zumindest bei den blichen Consumer-Produkten an der Tagesordnung sind, ist also der Fritz-Chip eher hinderlich denn ein Segen fr den Anwender. Gleiches gilt brigens fr diejenigen Anwender, die beispielsweise eine neue Grafikkarte oder eine gr”áere Festplatte einbauen wollen - auch fr sie bedeutet jede Hardware-Modifikation eine - vermutlich natrlich kostenpflichtige - Neuzertifizierung des Gesamtsystems, damit dieses wieder als ¯TCPA-konform® angesehen werden kann. Bei der Neuzertifizierung wird online anhand einer Liste mit geprfter Hardware (HCL) und einer weiteren Liste mit gesperrten Seriennummern (SRL) die Konformit„tstabelle des Rechners geprft und aktualisiert.

Hat der Fritz-Chip beim Bootvorgang alle Komponenten als ¯TCPA-konform® berprft und erkannt, bergibt er die Kontrolle schlieálich an das Betriebssystem. Ab diesem Punkt hakt nun - wie k”nnte es anders sein? - die Firma ¯Microsoft® ein mit ihrer ¯Palladium®-Technologie. Sobald der Anwender jetzt ein Programm startet, berprft das Betriebssystem dieses anhand der im Fritz-Chip gespeicherten Werte fr die SRL. Sollte sich herausstellen, daá dieses Programm keine gltige Lizenz und/oder Seriennummer besitzt oder die Lizenz abgelaufen ist, wird es gar nicht erst gestartet. Stellt es sich als ¯TCPA-konform® heraus, so wird nach der Freigabe und dem anschlieáenden Start erneut online eine Liste mit gesperrten Dokumenten fr dieses Programm abgerufen (DRL), um zu verhindern, daá der Anwender fr ihn nicht vorgesehene Dateien ”ffnet oder unerlaubterweise nutzt.

Was sich auf den ersten Blick tats„chlich als wirksame Waffe gegen Viren, Trojaner, Wrmer und „hnliche Probleme geriert, entmndigt jedoch den Anwender: ¯Palladium® st”át vor allem bei der Unterhaltungsindustrie, die einen erbitterten Kampf gegen jegliche Weiterverbreitung urheberrechtlich geschtzter Produkte im Internet fhrt, auf groáe Zustimmung, bietet sich hier jedoch erstmals vordergrndig die M”glichkeit, MP3-Tauschb”rsen und „hnliche Dienste effizient trockenzulegen dank ¯Microsoft®. Auch das Kopieren einzelner Musikstcke zu privaten Zwecken am heimischen PC wird damit unterbunden - dank ¯Microsoft® werden also vermutlich die ohnehin bervollen Kassen der Unterhaltungsindustrie zuknftig noch kr„ftiger klingeln!

Doch der Anwender hat natrlich noch die M”glichkeit, auch nicht ¯TCPA-konforme® Software auf seinem heimischen PC zu installieren und zu starten. Bemerkt ¯Palladium® eine solche Anwendung, wird das Gesamtsystem als ¯kompromittiert® gekennzeichnet und alle konformen Anwendungen samt Dateien werden geschlossen. Der Nutzwert eines solchen Systems drfte fr den Anwender dann wohl gegen Null tendieren.

Doch gehen wir einen Schritt weiter und bedenken wir die Folgen dieser Technologie:

  1. Die SRL's, DRL's und HCL's, die fr die Konformit„ts-Authentifizierung eines PC's unbedingt ben”tigt werden, werden an zentraler Stelle im Internet gespeichert und abgerufen. Hacker brauchen jetzt also nicht mehr einzelne PC's anzugreifen, sondern k”nnen ihr Engagement auf diese Server konzentrieren - und damit unter Umst„nden mit einem einzigen gelungenen Angriff Millionen von Rechnern unbrauchbar machen.
  2. Es bedarf keiner ausgesprochen ausgepr„gten Phantasie, um sich auszumalen, wie ¯Palladium® mit unerwnschten Konkurrenzprodukten verfahren kann: Sollen bestimmte Softwareprodukte anderer Hersteller als ¯Microsoft® nicht als ¯konform® zertifiziert werden, so gengt es, sie auf die ¯schwarze Liste® des ¯Palladium®-Systems zu setzen. Bei einem Start solcher Software w„re der Rechner nur noch sehr eingeschr„nkt nutzbar, da ¯kompromittiert® - jeder Anwender wrde sich wohl zumindest berlegen, ob er beim n„chsten Mal nicht doch zur drittklassigen Spyware aus dem Hause ¯Microsoft® greift.
  3. Die Zertifizierungen fr Software und Dateien kosten Geld: Sch„tzungen gehen von bis zu sechsstelligen Dollarsummen aus fr eine einzige Anwendung. Die Folge dieser Lizenzierungspraxis w„re, daá die Freewareszene von der Bildfl„che verschwindet. Viele tausend Programmierer, die unter oftmals groáem pers”nlichen Engagament und erheblichem Zeitaufwand ansehnliche Projekte als Freeware entwickelt haben, h„tten keine M”glichkeit und auch keine Motivation mehr, ihre oft wirklich innovativen Projekte der Anwendergemeinde zur Verfgung zu stellen dank der kriminellen Krake ¯Microsoft®.
  4. Der gesamte von der GPL-Lizenz abgedeckte Bereich wrde ebenfalls sang- und klanglos vor dem Aus stehen, da auch hier zun„chst erhebliche Betr„ge in eine Zertifizierung gesteckt werden máten, denen keine Einnahmen gegenberstehen. Die wohl gef„hrlichste Konkurrenz fr ¯Microsoft®, n„mlich die oftmals aus idealistischer und moralischer Intention heraus handelnden freien Entwickler, die ihre Software unter der GPL-Lizenz vertreiben, w„re mit einem Schlag ausgeschaltet.
  5. Dem uns„glichen Monopol der Firma ¯Microsoft® im Betriebssystemmarkt wrde ein weiterer nachhaltiger Schub verliehen, denn Konkurrenzsysteme máten, um mit dem Fritz-Chip und damit letztendlich auch mit ¯Palladium® zu harmonieren, ebenfalls ¯TCPA-konform® gestaltet werden. Fr OS/2 WARP ebenso wie fr die meisten Linux-Distributionen und auch Systeme wie FreeBSD, NetBSD oder auch BeOS und (mit Einschr„nkungen) QNX wrde der Zwang zur ¯TCPA-® und ¯Palladium®-Konformit„t das Verschwinden vom EDV-Markt bedeuten, denn ohne diese Konformit„t wrden diese meist besseren Betriebssysteme als ¯unsicher® gelten. OS/2 WARP und die eComStation wrden aus den groáen Banken und Versicherungen, bei TK-Dienstleistern und bei den anderen Anwendern im professionellen Umfeld ge„chtet und von den Festplatten verbannt zugunsten der wesentlich schlechteren ¯Windows®-Systeme. Die einzige Alternative bliebe nach dem derzeitigen Stand der Dinge HP-Linux, da HP bereits an der ¯TCPA-® und ¯Palladium®-Konformit„t seines Linux arbeitet.
  6. Mit dem ¯Palladium®-System wrde die offene, basisdemokratische Struktur des Internet endgltig zu Grabe getragen und einem Meinungs- und Zensurmonopol der Firma ¯Microsoft® weichen. ¯Microsoft® k”nnte ber die variable Gestaltung von Zertifizierungsgebhren die Weiterverbreitung kritischer Dokumente im Internet oder im Rahmen von Software-Distributionen verhindern. Obendrein w„ren alle Newsdienste auáer den ¯Microsoft®-eigenen davon betroffen - freiwillige, sehr anerkennenswerte Initiativen wie beispielsweise auch die VOICE, die sich der Aufkl„rung der OS/2-Gemeinde verschrieben hat, máten fr die einzelnen Beitr„ge Zertifizierungsgebhren an ¯Microsoft® zahlen fr die ¯Palladium®-Konformit„t, um nicht auf der ¯schwarzen Liste® der DRL-Server zu landen. Das Internet als Transporteur basisdemokratischer Ideale w„re zerst”rt und zu einem Sprachrohr von ¯Microsoft® verkommen.
  7. Durch die enge Kopplung der ¯Palladium®-Technologie in Kooperation mit dem Fritz-Chip an Hard- und Software wrde der Gebrauchtsoftwaremarkt zum Erliegen kommen - weil bereits einmal durch TCPA und ¯Palladium® zertifizierte Software aufgrund der Verschlsselung untrennbar an die Hardware gekoppelt ist. Fr ¯Microsoft® erfllt sich damit ein lange gehegter Traum: Jeder K„ufer eines PC muá Software aus Redmond neu kaufen, da die alte Software nur ber eine Seriennummern-Freigabe auf ein anderes Ger„t bertragbar w„re - und davon steht nicht ein einziges Wort in den entsprechenden Standardisierungs-Richtlinien.

Das hier geschilderte Horrorszenario erscheint keineswegs abwegig: Bill Gates hat mit der Unterhaltungsindustrie starke Kombattanten im Rcken, denen es genauso wie ihm um die Profitmaximierung um jeden Preis geht - auch wenn dabei demokratische und ethische Prinzipien nicht nur ausgeh”hlt, sondern offen mit Fáen getreten werden und auf der Strecke bleiben. Offen diskutiert werden die Folgen seiner Technologie noch nicht; bislang hat Gates gr”áten Wert darauf gelegt, sich stets ”ffentlich und lauthals als Vork„mpfer gegen Raubkopierertum zum Wohle der Software- und der Unterhaltungsindustrie und auch zum angeblichen Nutzen des Endverbrauchers zu gerieren - mit ¯Palladium® jedoch berschreitet ¯Microsoft® im Halbdunkel ein- fr allemal eine Grenze, die dem vermeintlichen Vork„mpfer Gates fr die Durchsetzung von Urheberrechten bislang Fesseln anlegte: Nun geht es um die vollkommene Kontrolle der Informationsgesellschaft durch einen Konzern, der krimineller Machenschaften mehrfach berfhrt ist - die Weltherrschaft einer einzelnen kleinen Clique im Mediensektor droht, und das auch noch mit blau„ugiger Zustimmung einiger international agierender Medienkonzerne, die bisher offenbar noch gar nicht realisiert haben, daá sie sich mit ihrer offensichtlich blinden Profitsucht einem Mann ausliefern, den andere als den gef„hrlichsten Zeitgenossen seit Adolf Hitler betrachten.

Es wird Zeit, daá die Demokraten unter den EDV-Profis und -Anwendern endlich aus ihrem Dornr”schenschlaf aufwachen, denn:

¯Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muá den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine h„lt keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat...®
/Erich K„stner/